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Scheinbar endlos: Das Netzwerk der Wildnispfade in Skandinavien

Vor mir liegt ein heute kaum noch erhältliches Buch. Es wurde 1980 vom Nordischen Rat herausgegeben. Der Titel auf Schwedisch: „Vandringsleder på Nordkalotten“ (ISBN 91-7502-490-4). Die Publikation war und ist eine Zusammenfassung des gesamten und in Teilen auch grenzüberschreitende Netzwerks nahezu aller markierten und unmarkierten Wildnispfade im hohen Norden – in Norwegen, Schweden und Finnland. Inklusive einer Karte (siehe Foto), einer Namensliste bzw. den Verläufen der damals schon existierenden Pfade nebst diversen Vorschlägen, wo und wie man künftig evtl. neue Pfade oder ergänzende Teilstücke „bauen“ sollte, um das riesige Netzwerk zu komplettieren.

Obwohl ich dort oben über die Jahrzehnte hinweg um die 6000 Kilometer zu Fuß unterwegs war, kenne ich noch lange nicht alles. Die Möglichkeiten sind scheinbar endlos.

Entscheidend war und ist für mich nie gewesen, bestimmte Distanzen in einer bestimmten Zeit zurückzulegen oder auf angebliche Superlative einzugehen (etwa die Strecke „Norwegen der Länge nach /Norge på langs“ oder das „Gröna Bandet“ in Schweden (vom Dreiländereck bei Kilpisjärvi bis nach Grövelsjön) oder den UKK-Trail [Urho-Kekkonen-Pfad] von Nord- nach Südfinnland).
Für mich zählt hauptsächlich das Draußen-Sein in dieser großartigen Natur; auch das Zeit lassen und Zeit haben. Also: Ohne leistungsorientiertes Denken unterwegs zu sein. Was nicht heißen soll, dass man nicht gefordert wird oder auch an seine Grenzen kommen kann. Und ob!

Von Berufs wegen bin/war ich bis vor kurzem als freier Journalist weltweit unterwegs (jetzt in Rente), aber in meinem Urlaub hat es mich stets in die skandinavischen Wildnisregionen diesseits und jenseits des Polarkreises gezogen. Auch jetzt noch, mit 72, bin ich fast jedes Jahr dort oben unterwegs. Meist zwischen Ende Juli und Mitte/Ende September.

Meine Aktualisierungen und Recherchen für diese Homepage habe ich erst in 2022/2023 wieder aufgenommen – weil die Corona-Pandemie zuvor vieles kompliziert hat. Die norwegischen Hütten beispielsweise waren zu der Zeit offiziell nur noch an Wochenenden zugänglich und nur online reservierbar und nur für Menschen, die aus der gleichen „Kohorte“ stammten (also Familien oder Geschwister).

Soll heißen:

Diese Homepage, basierend auf meinem bereits 1984 veröffentlichten Uralt‐Klassiker „Wanderwege in Skandinavien“ (damals: Bruckmann Verlag), wurde in der Zwischenzeit dennoch weiterentwickelt und wird weiterhin bearbeitet – als aktualisierte und digitalisierte Version.
Hilfreich ist es – bei allem was nachfolgend noch beschrieben wird – wenn man sich zuerst einmal in der Rubrik „Netzwerk Wildniswandern“ diese beiden Sub-Links anschaut:

Der Norden und Der Süden

Die komplette Übersicht kann man auch als gedrucktes A3-Poster bestellen. Wir haben hier nämlich die wichtigsten Wanderwege südlich und nördlich des Polarkreises wie in einem U-Bahn-Plan aufgebaut, um sich angesichts der Vielfalt an Möglichkeiten orientieren zu können, einerseits. Andererseits, um das miteinander verwoben sein respektive die Zusammenhänge aller Pfade erkennen zu können.
Natürlich bin ich unverändert neugierig, wenn ein als neu benannter oder (angeblich) ein neu konzipierter Wanderpfad angepriesen wird. Sowas schaue ich mir selbstverständlich an und „teste“ die neuen Wegstrecken. Mitunter auch mit dem Resultat, dass ich sie entweder nur in Teilen empfehlen kann (und entsprechend beschreiben werde) oder erst gar nicht für berichtenswert halte, weil Technokraten und Regionalverwaltungen zur Förderung des Tourismus ein mehr oder weniger seit langer Zeit vorhandenes Wegenetz partout populärer machen wollen und es mit einem attraktiv klingenden Titel versehen.


Nicht alles Gold, was glänzt.

So ist das etwa beim neuen „Lapplandsleden“ im südwestlichsten Teil von Västerbotten der Fall. Vom recht populären Ferienhaus- und Hotel-Ort Borgafjäll, nahe an der Grenze zu Norwegen, führt der Pfad letzten Ende bis weiter nach Hemavan, wo man nach fünf bis sechs Tagen Wanderung auf den Anfang des südlichen Kungsleden trifft. Doch im Unterschied zum benachbarten norwegischen „Nationalpark Børgefjell“ gibt es auf schwedischer Seite keine vergleichbare unberührte oder geschützte Zone. Es ist eigentlich ein Skifahrer- und Snowscooter-Land. Nichts dagegen, aber so ist es halt.

Nicht selten kommt man daher nach einer Tagesetappe in Tälern an, wo munter weiter gebaut und erschlossen wird. Vorwiegend für den Wintersport. Will sagen: Das vorhandene Wegenetz ist vom Ursprung her und bis heute eher an den Cross-Country-Wintersportlern orientiert, die hier auf Tagestouren unterwegs sind, ihr Auto nahe der Wegführung geparkt haben und abends wieder in ihr – für Autofahrer nahegelegenes – Hotel oder in ihre Ferienwohnung zurückkehren.

Wanderer und Wanderinnen im Sommer oder Herbst hingegen werden dadurch mitunter zu weit an Ortschaften vorbeigeführt (erschwerte Versorgung mit Lebensmitteln) oder sie müssen von einer Etappe zur nächsten zu lange Zeit der Straße folgen. Außerdem mangelt es besonders an Wochenenden an Busverbindungen zum Hin- oder Wegkommen und – es mangelt an günstigen, sprich einfacheren Unterkünften für Wanderer an den Ausgangs- oder Endpunkten (von den eher kleineren Hütten unterwegs, längs des Lapplandledens, abgesehen). Wobei man für die letzten knapp vierzig Kilometer nach Hemavan, mangels einer passenden Hütte unterwegs, dann eben doch wieder ein Zelt dabei haben sollte. Kurz, es hakt.

Nehmen wir als nächstes Beispiel den 800 Kilometer langen Nordkalottleden. Auf dem im Übrigen auch jene Langstrecken-Wanderer unterwegs sind, die der Route „Norge på langs“ folgen oder dem „Gröna Bandet“ von Nord nach Süd. Dieser grenzüberschreitende Pfad hat schon Jahrzehnte vor seiner geänderten Namensgebung existiert, nur damals eben noch als zusammenhängende Kette von regionalen Abschnitten längs der norwegisch-schwedischen oder der norwegisch-finnischen Grenze. Und im Grunde ist der Nordkalottleden nicht selten identisch mit den beiden schwedischen Pfaden Padjelantaleden und Kungsleden oder eben der ehemals als „Grenzpfad von Troms“ bezeichneten Route in Norwegen (eine zehntägige Tour von Innset bis Kilpisjärvi). Zugleich eine der anspruchsvollsten und schönsten Teilstrecken überhaupt.



Unterschiedlich attraktive Regionen

Das heißt aber nicht, dass der Nordkalottleden über seine gesamte Länge hinweg, landschaftlich ständig attraktiv ist. Auf der finnischer Seite beispielsweise – wenn man von Kilpisjärvi nach Norden wandert – sind die ersten beiden Wandertage bis zur Kuonjarjokki-Hütte eine steinige Langeweile. Erst danach führt der Pfad wieder durch eine richtig schöne Landschaft, die aber ziemlich überlaufen ist. Der Grund: Die Route führt gleichzeitig auch zum Halti-Gipfel, dem höchsten Berg Finnlands (1324 m). Hinzu kommt, dass man auf den meisten finnischen Hütten – bei relativ kurzen Abständen - umsonst übernachten kann, und das wird von manchen feiernden Gruppen ausgenutzt. Wildnis als Event-Location sozusagen. Nicht so prickelnd.

Und weil beim Nordkalottleden wieder einmal viele Köche im Brei mit gerührt haben, werde ich mir in diesem Sommer (2025) etwas abstrus wirkende Abzweige und Quervarianten des Nordkalottleden anschauen und dann erst im Spätsommer oder Herbst in einem eigenen Nordkalottleden-Kapitel darüber schreiben. Es macht nämlich keinen Sinn – nur um ein Beispiel zu nennen -, von der schwedischen Vaisaluokta-Hütte (Padjelanta/ Akkajaure-See) in teils schwierigem, teils schlecht markiertem Gelände mit Zelt 25 Kilometer zurückzulegen und bis ins norwegische Hellemoboten ans Meer hinab zu steigen (an einem Seitenarm des Tysfjords gelegen), wenn man dort in einer Art Sackgasse endet, weil man eben nur alle zwei oder drei Tage von einer Fähre abgeholt werden kann.


Sommerende ? Laden dicht !

Schlußendlich möchte ich noch auf ein Phänomen zu sprechen kommen, an dem sich leider in den letzten Jahrzehnten nichts, aber auch gar nichts geändert hat. Während die Finnen besonders gern zur „Ruska-Zeit“ in Lappland wandern gehen - die Zeit der berauschenden Herbstfarben zwischen Ende August und Mitte September und nicht zu vergessen: der Nordlichter – machen die Schweden und teilweise auch die Norweger im hohen Norden um den 5., 7. oder 10. September herum „den Laden dicht“.

Plötzlich gehen bestimmte Fähren nicht mehr, Busverbindung werden extrem ausgedünnt, nur da und dort ist beim Wandern noch ein(e)) Hüttenwirt(in) anwesend (bei dem/der man evtl. Lebensmittel ergänzen kann), manche Hütten werden ab dem 10. oder 15. September auf winterliche Notunterkünfte reduziert oder es bleibt von fünf oder sechs kleineren Hütten nur eine für maximal sechs Personen geöffnet, obwohl gerne zwölf Besucher/innen dort übernachten würden. Und das, obwohl ebenso seit Jahrzehnten immer wieder Menschen aus Österreich, der Schweiz, Deutschland, den Benelux-Staaten, aus Polen, Italien oder Frankreich genau wegen dieser tollen Zeit zum Wandern in den Norden fahren. No way!



Um diese eigenartige Situation auch nur halbwegs nachvollziehen zu können, muss man wissen, dass das Ende des Sommers durch den alljährlichen Schulbeginn um den 15. August herum markiert wird. Von da an geht es wieder ernsthaft zur Sache – auch mit und bei der Arbeit. Zuvor hat man, verdammt nochmal, den Sommer genossen. So intensiv wie möglich. Und jetzt kommt der Herbst. Basta! Pilze, Blaubeeren und Preiselbeeren kann man schließlich überall in Skandinavien pflücken. Dazu muss man nicht nach Lappland fahren. Und außerdem ist man in Nordskandinavien ab Anfang September eh mit der (staatlich regulierten) Elchjagd beschäftigt. Zuvor hat schon die Schneehuhnjagd begonnen und davor - bis etwa 20. August - war es erlaubt, Forellen oder Saiblinge zu angeln. Noch Fragen?

Das bedeutet, man muss – je nachdem welche Route man wählt – vorher immer sorgfältig prüfen, ob man noch über diesen oder jenen See kommt. Man muss klären, wer nach dem 10. September einen Bootstransport übernehmen könnte (meist sind es dann Samen, die ganzjährig an einem Ausgangs- oder Endpunkt wohnen) oder es ist zu klären, wann und wo evtl. ein Bus fährt, mit dem man „zurück in die Zivilisation“ kommen kann. Häufig sind es dann kleinere Schulbusse oder Rufbusse, die in aller Herrgottsfrühe losfahren und nur eine beschränkte Zahl von Passagieren mitnehmen können. Und zwar nur ein Mal am Tag.

Ansonsten – gibt es nichts zu meckern. Im Gegenteil. Ich bin bis heute immer wieder erstaunt und erfreut, mit welcher Konsequenz die skandinavischen Länder ihre Nationalparks vor dem sich ausbreitenden Einfluß der Tourismusbranche schützen. Seit ich 1982 das erste Mal den Padjelanta-Nationalpark durchquert habe, hat sich nichts Wesentliches geändert. Außer dass die damals noch kleinen, buschgroßen Birken inzwischen zu Bäumen herangewachsen sind und da und dort einen Wald bilden. Und – dass die Rentiere züchtenden Samen in ihren Sommersiedlungen weit draußen nicht länger in einfachen Torfkotas ohne Strom leben, sondern kleinere Holzhütten gebaut haben – mit Solaranlagen obendrauf. Geblieben ist aber, dass sie gern ihre schmackhaften Spezialitäten zum Verkauf anbieten. Etwa das frisch gebackene Fladenbrot namens "Gáhkku", geräucherten Röding (Saibling) oder getrocknetes Rentierfleisch (torkat renkött, gesprochen: torkat Ren-tschött).




God tur, lycka till, hyvä matka!

Klaus Betz


PS: Gemessen an den heutigen Möglichkeiten haben wir uns bei der Gestaltung dieser Homepage auf das unerlässlich Notwendige beschränkt - um möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Wäre das Internet ein Land, hätte es heute schon den sechstgrößten Energieverbrauch der Welt.

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